CfP: 7. IASPM D-A-CH-Konferenz: "Tuning the NOISE GATE. Politiken des Filterns, Selektierens und Verstärkens in populärer Musik" (Oldenburg, 28-30.05.2026) Deadline: 15.08.2025

Call for Papers
7. Konferenz IASPM – D-A-CH
Tuning the NOISE GATE
Politiken des Filterns, Selektierens und Verstärkens in populärer Musik
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
28. - 30. Mai 2026

Deadline: 15.08.2025
Call for Papers [PDF] (english version here)
(Die Verlinkungen im Call werden in Kürze aktiviert.)

Das Noise Gate als dynamisches Signalverarbeitungselement wird in der Musikproduktion und -Performance eingesetzt, um ästhetisch unerwünschte Geräusche in einer Audio-Aufnahme bzw. einem Audiosignal zu unterdrücken. Am Noise Gate lässt sich dafür der so genannte „Threshold“ bzw. Schwellenwert festlegen. Bei Unterschreitung dieses Schwellenwerts wird das Signal automatisch so weit abgeschwächt, dass es nur noch sehr leise oder gar nicht mehr zu hören ist. Alle übrigen Signalanteile erscheinen dadurch verstärkt und treten im Klangbild präsenter hervor. Eine solche Vergrößerung des Signal-Rausch-Abstands hindert z.B. das Grundrauschen elektronischer Geräte in der Signalkette daran, bis zum Lautsprecher vorzudringen. Das Dilemma liegt dann allerdings darin, dass im vermeintlichen Rauschen auch reizvolle, spannungsreiche und einzigartige Momente musikalischer Performances zum Ausdruck kommen. Die Atemgeräusche beim Singen, das Rutschen von Fingern über Gitarrensaiten oder Artefakte verzerrter Audiosignale unterliegen de facto kleinsten individuellen Veränderungen, die Gefahr laufen am Noise Gate unterdrückt, ausgeschlossen oder zu stark angepasst, perfektioniert und geglättet zu werden.

Menschen haben immer schon Werkzeuge, Apparaturen, Technologien und Medien entwickelt, um ihre Beziehungen untereinander und mit ihrer Umwelt zu regeln. Auch in den Medienkulturen der Gegenwart offenbaren sich diese Beziehungen. Das Noise Gate dient deshalb hier als Metapher und Denkfigur, die den Raum zwischen Musikproduktion und sozial-kulturellen Praktiken, Technologien und Politiken aufspannt.

Im Tonstudio, an der Tür zum Club, in der Wissenschaft, in Unterrichtskonzepten oder auf durch Algorithmen gesteuerten Playlists stehen wir sinnbildlich oder buchstäblich am Gate und damit vor der Entscheidung darüber, was oder wer zu viel Noise ist oder verursacht und exkludiert werden sollte, oder welche Stimmen gehört werden sollen. Roland Barthes‘ berühmte These zur „Rauheit der Stimme“ (grain de la voix) als etwas Unreines, das aufgrund dieser Unreinheit berührt, Dick Hebdiges Betonung der subkulturellen ‚Noise‘ („as opposed to sound“) als ästhetische wie auch politische Störung oder Jacques Attalis lapidarer Kommentar, dass nichts in der Abwesenheit von Noise passiert, legen Zeugnis davon ab, dass das Verhältnis von Klang und Geräusch oftmals ein substantielles Element ästhetischer, musikalischer, sozialer und nicht zuletzt politischer Schwellen- und Entscheidungsprozesse ist. So betrachtet offenbaren sich am Noise Gate Machtverhältnisse – Entscheidungen zwischen Inklusion und Exklusion, Mainstream und Nische oder zwischen Krach und Stille. Dabei spielen für die Musikproduktion und Rezeption der Gegenwart zunehmend das Verhältnis nichtmenschlicher und menschlicher Akteure eine Rolle. Das „Abregeln“ (!) des Gates erfolgt nach bestimmten individuell, gesellschaftlich, technisch und sozial bedingten Kriterien. Im Zentrum aller dieser Aspekte steht die Funktion des Noise Gates als ein Tool der Weichenstellung und Schleuse, aber auch Reglementierung und der Differenzierung.

Metaphorisch kann man ein Noise Gate auf verschiedene Weisen lesen und bewerten: Wissenschaft z.B. funktioniert notwendigerweise als „Noise Gate“. Ohne die Reduktion von Komplexität, Auswahl und Kombination relevanter Fakten ist Erkenntnisgewinn nicht möglich. Gleichermaßen wissen wir um die lange Geschichte der Unterdrückung bzw. Marginalisierung bestimmter Positionen im Wissenschaftsbetrieb. Das betraf den Stellenwert der Erforschung populärer Musik in den Geisteswissenschaften oder den beschwerlichen Weg, den Gender oder Postcolonial Studies auch in den Popular Music Studies gingen. Der Wissenschaftsbetrieb selbst funktioniert insofern als Filter bzw. Gate Keeper im unmittelbaren Sinn. Als ein weiteres Beispiel sei auf die Forschungen und Darstellungen der Geschichte(n) populärer Musik verwiesen. Auch hierbei wird gefiltert und selektiert, damit Geschichte überhaupt erzählt werden kann – immer auf die Gefahr hin, dass Vielschichtigkeit und Komplexität ausgeblendet werden und Nuancen verschwinden.

Das Noise Gate wirkt im übertragenen Sinne als narrativer, sozialer, kultureller, pädagogischer und politischer Filtereffekt. Angefangen von seiner Bedeutung in produktionstechnischen Umgebungen bis hin zu wissenschaftspolitischen Fragen soll sein „Tuning“ während der Konferenz aus verschiedenen Perspektiven der Popular Music Studies ausgelotet und diskutiert werden.

Mögliche Themenschwerpunkte im CfP und auf der Konferenz

  • Zwischen Noise und Klang: Sound-Ästhetiken populärer Musik

  • Medientechnologien und (post-)digitale Produktionsstandards: Logiken des Filterns, Algorithmisierung, maschinelles Lernen, KI

  • Differenzierungen eines apparativen Medienbegriffs durch ethnologische und ökomusikologische Perspektiven

  • Mediale, ökonomische, soziale und kulturelle Praktiken der Selektion und Differenzierung

  • Medien als Institutionen populärkultureller Formatierung

  • (Selbst-)Zensur und Indizierung populärer Musik und ihrer Medien

  • Narrative und Selektion in der Popmusikgeschichtsschreibung

  • Selektionslogiken als Teile individuellen und sozialen Erinnerns an populäre Musik

  • Strömungen und Trends bei der Erforschung populärer Musik

  • Exklusion, Marginalisierung und Privilegierung in musikpädagogischen Zusammenhängen

  • Praktiken des Filterns in der (post-)digitalen Musikvermittlung und -pädagogik

  • Selektionslogiken in der (öffentlichen) Förderung populärer Musik (Kulturpolitik)

  • Künstlerische Forschung als erweiterte Perspektive auf Wissen und Wissensformen

  •  …

Zu dieser ausdrücklich interdisziplinären Tagung sind Forschende aller Fachbereiche im weiten Feld der Popular Music Studies eingeladen, ihre aktuellen Untersuchungen zu präsentieren. Zur Bewerbung ermutigen wir Early Careers sowie Personen, die mit alternativen, künstlerischen Formaten und Praktiken arbeiten – insbesondere (aber nicht ausschließlich) im Bereich der künstlerischen Forschung. Dies gilt auch für experimentelle und / oder unkonventionelle / alternative Präsentationsformen.

Die Beiträge können in deutscher oder englischer Sprache in folgenden Formaten eingereicht werden:

  • Einzelbeiträge (30 Minuten Vortrag/Performance & 15 Minuten Diskussion)

  • Panels (min. drei Vorträge zu einem gemeinsamen Themenkomplex, insgesamt 60 Minuten Vorträge & 30 Minuten Diskussion).

Für Mitglieder aller IASPM-Verbände sowie Studierende/Dozierende der Universität Oldenburg ist die Teilnahme an der Konferenz frei. Für alle anderen Teilnehmenden gelten die folgenden Teilnahmegebühren (zu bezahlen per Rechnung/Überweisung nach der Registrierung):

  • Ganze Konferenz: 60 €

  • Donnerstag, 28.05.2026: 30 €

  • Freitag, 29.05.2026: 30 €

  • Samstag, 30.05.2026: 20 €

Eine IASPM-Mitgliedschaft ist für die Einreichung eines Beitrags oder Panels nicht erforderlich.

Die Publikation einzelner Beiträge im Rahmen der IASPM D-A-CH Vibes-Serie ist vorgesehen.

Einreichungen müssen folgende Angaben enthalten:

  • Vortrags- und/oder Paneltitel

  • Abstract (für Einzelbeiträge max. 300 Wörter, bitte ohne Referenzen zu Urheber:innen der Abstracts; für Panels max. 300 Wörter zum Panelthema und je max. 200 zu den Beiträgen)

  • Fünf Keywords

  • Name, Kontaktinformationen und ggf. institutionelle Anbindung

  • Kurzbiografie (max. 150 Wörter)

  • Reisekostenzuschuss beantragen ja/nein (siehe unten)

Bitte reichen Sie Ihre Vorschläge bis spätestens 15.08.2025 online in unserem Formular ein. (Formular-Link wird in Kürze aktiviert.)

Die Auswahl der anonymisierten Beiträge erfolgt durch ein Team aus Mitgliedern des IASPM D-A-CH-Vorstandes bzw. Beirates sowie des Organisationskomitees der Konferenz. Wir bemühen uns, Ihnen bis spätestens Ende Oktober 2025 eine Rückmeldung zu geben.

Ansprechpartner:innen:
Susanne Binas-Preisendörfer & Sidney König / iaspm-dach-konferenz-2026@uol.de

Vorbehaltlich der Finanzierung durch Drittmittel planen wir Reise- und Aufenthaltskostenerstattungen bzw. -zuschüsse für vortragende IASPM-D-A-CH-Mitglieder bereitzustellen.

Wir freuen uns auf Ihre Einreichungen und eine interessante Tagung im Frühjahr 2026 an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.

Susanne Binas-Preisendörfer (Musik und Medien, Universität Oldenburg)
Möritz Höger (Medienmusikpraxis, Universität Oldenburg)
Christofer Jost (Zentrum für Populäre Kultur und Musik, Universität Freiburg)
Sidney König (Musik und Medien, Universität Oldenburg) und die
Mitglieder des Vorstands und Beirats von IASPM-D-A-CH